Es ist schon etwas Besonderes, wenn so ein kleines Haus wie das Theater am Neunerplatz ein so großes Werk wie Macbeth produziert. Doch obwohl die Möglichkeiten schon aufgrund der übersichtlichen Bühnengröße begrenzt sind, schaffte es der Regisseur Erhard Drexler mit dem Ensemble ein beeindruckendes Schauspiel zu realisieren. Die bisherigen Aufführungen waren somit auch ein großer Erfolg und das Echo der Presse war außerordentlich positiv.
Zeitungskritik der „Mainpost“ Würzburg vom 21. Nov 2017
Nun ist das Projekt fast vorbei – heute ist die letzte Aufführung – und ich möchte mal kurz über meine Eindrücke berichten. Einen ausführlichen Bericht mit noch mehr Bildern findet ihr auf meiner Fotobericht-Seite.
Macbeth ist meiner Meinung nach ein hochaktuelles Schauspiel. Das Thema Macht und Machterhalt ist ja auch in unserer Welt allgegenwärtig. Wenn ich an die momentane politische Situation denke, fallen mir gleich mehrere „Könige“ ein, die ihre Macht mit durchaus vergleichbaren Mitteln aufgebaut haben und nun zu sichern suchen…
Ganz oben stehen hier für mich die Herren Putin, Erdogan und Trump, die ganz offen ihre Macht mit Gewalt gegen Andersdenkende verteidigen, sei es nun durch Intrigen, willkürliche Inhaftierungen oder gar Mord. Aber auch in unserer „westlichen Demokratie“ gibt es Menschen, deren Gier nach Macht und Geld geradezu grenzenlos scheinet und die für ihre Interessen über Leichen gehen. Ich denke da besonders an den jüngsten Mord an der Journalistin Daphne Caruana Galizia auf Malta.
„Verhext und teuflisch gut“
Doch nun zum Macbeth des „Theater am Neunerplatz“. Wie gewohnt sind die Mitwirkenden überwiegend Laien – allerdings hervorragende, die es verstehen, dem Stück eine außergewöhnliche Intensität zu verleihen.
Die Entwicklung des anfangs loyalen und dem schottischen König Duncan treu ergebenen Macbeth, hin zu einem grausamen und paranoiden Tyrannen ist durchweg packend und überzeugend gespielt. Macbeth’ verhängnisvolle Begegnung mit den drei Hexen, die ihm weissagen, dass er König werden soll, schafft gleich zu Beginn eine verstörende und gruselige Atmosphäre, die durch die schnelle Erfüllung der ersten beiden Teile der Weissagung (Macbeth wird Than von Glamis und Than von Cawdor) an Dramatik zulegt. Man spürt: ab diesem Moment wird nicht mehr „mit offenen Karten“ gespielt. Doch auch der anfängliche Zwiespalt zwischen seinem Ehrgeiz, König zu werden, und seinem Gewissen, das ihn zögern lässt, sein Vorhaben in die Tat umzusetzen, ist sehr überzeugend gespielt.
Nach der Begegnung mit den Hexen und der umgehenden Erfüllung der beiden ersten Prophezeiungen ist Macbeth von Machtgier besessen. Macbeth spricht und singt in dieser Szene den englischen Originaltext.
Dabei handelt es sich um eine wichtige Besonderheit in unserer Inszenierung: Bestimmte Teile des Textes werden im englischen Original gesungen dargeboten. Als Musik dient in diesem Fall ein Stück von Henry Purcell aus „King Arthur III“.
Tobias Debold, der musikalische Leiter der Inszenierung, hat im barocken Stil dieser Musik Melodien komponiert und teils mit den historischen Stücken verbunden, teils als Einschübe so geschickt und einfühlsam in die Originalmusik eingefügt, dass keinerlei Bruch entsteht. Auch die Zwischenmusiken stammen aus seiner Feder und wurden entweder von ihm selbst komponiert oder es wurden historische Kompositionen für unser Ensemble, bestehend aus zwei Violinen, einer Bratsche, E-Gitarre oder E-Bass und Schlagzeug, arrangiert.
Die wenigen Requisiten – eigentlich sind es lediglich eine Zink-Badewanne, ein Eimer und einige abgesägte Baumstämme – werden von Theaterchef Sven Höhnke mit seiner genialen Bühnen- und Lichttechnik „ins rechte Licht“ gerückt.
Neben gewöhnlichen Scheinwerfern und Spots kommen hierbei ferngesteuerte Mobile-Lights zum Einsatz, die sich auf der Bühne frei positionieren lassen. Dies trägt wesentlich zu der durchweg gespenstischen Atmosphäre bei.
An dieser Stelle möchte ich Anne Hansen als Lady Macbeth hervorheben. Sie spielt die Lady Macbeth in all ihren charakterlichen Facetten bravourös. Im ersten Moment noch charmant flirtend, im nächsten Augenblick voller Jähzorn und Hass. Sie ist subtil manipulierend, ironisch, mal aufbrausend und sofort wieder gefasst und überlegt.
Ihre Lady Macbeth erkennt die Schwachstellen ihres Gegenüber in Sekundenschnelle und weiß sie sofort für sich zu nutzen. Sie bezirzt, sie drängt Macbeth, packt ihn bei seiner „Mannesehre“ und nimmt eiskalt zur Not die Dinge auch selbst in die Hand.
Während des Stücks habe ich zwischendurch ab und an mal Zeit, die Szene zu beobachten, da die Musiker links und rechts vor der Bühne positioniert sind. Ich bin von ihrer Fähigkeit, schnelle emotionale Wendungen allein mit Blicken darzustellen, immer wieder beeindruckt.
Hexentanz-Szene · Annette Patrzek, Anne Hansen, Markus Fäth als Hecate & Charlotte Emigholz
Die Hexentanz-Szene ist für mich einer DER Höhepunkte des Abends. Licht, Musik und Schauspiel ergänzen sich perfekt und treiben das Geschehen so voran, dass eine außergewöhnliche Spannung entsteht.
Auf keinen Fall möchte ich die von Karin Amrhein produzierten tollen Video-Projektionen unerwähnt lassen. Sie sind ebenso wie die Musik ein wichtiger Bestandteil in unserer Inszenierung.
Hervorragend gemacht, tragen sie viel zur Atmosphäre des Stückes bei. Man möchte fast wünschen, dieses Mittel würde häufiger eingesetzt.
Last but not least muss ich unbedingt Ute Friedrich erwähnen, die für die Kostüme und die Maske verantwortlich war. Die „Tattoos“ von Macbeth und Lady Macbeth werden im Verlauf des Abends immer umfangreicher. Da sie alles allein managen muss, ist sie gut beschäftigt.
Der Ausgang des Dramas ist so unausweichlich wie bekannt. Der Tyrann Macbeth wird im Kampf von Macduff getötet. Es ist ein Bespiel dafür, dass man immer auch zwischen den Zeilen lesen muss und dass es immer auch auf die Interpretation von Aussagen ankommt. Ebenfalls ein Punkt, der uns aus der aktuellen Politik nur allzu bekannt ist.
Es war also wieder einmal eine durchweg gelungene Produktion und ich muss sagen, ich finde es schade, dass sie nun vorbei ist. Aber ein neues Projekt ist bereits in Planung und ich werde voraussichtlich auch da wieder mit dabei sein. Darauf freue ich mich jetzt schon.
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